HELLO AGAIN!
«Hallo Landheim, es geht mir gut!»
Ehemalige Jugendliche erzählen
2456 Jugendliche sind in den letzten 150 Jahren ins Landheim eingetreten. Drei, die ihre Ausbildung erfolgreich durchlaufen haben, erzählen hier ihre Geschichten. Und wir drucken das Portrait von Blerim ab, das vor 15 Jahren im Migros-Magazin erschienen ist.
Cassius absolvierte ab 2005 seine Ausbildung zum Koch EFZ im Landheim und schloss diese 2008 erfolgreich ab. Heute führt er im vierten Jahr mit seinem Geschäftspartner äusserst erfolgreich ein Restaurant in Zürich.
Cassius: «Ganz ehrlich: Ohne das Landheim wäre ich wohl nicht mehr da.»
Säru schloss 2014 seine Landheim-Zeit erfolgreich mit dem Diplom zum Küchenangestellten ab. Später lernte er einen weiteren Beruf und führt heute ein Take-Away Restaurant für Burger und Pizza im Kanton Bern.
Säru: «Heute führe ich ein Take-Away.»
Deve macht aktuell eine Weiterbildung zum Applikationsentwickler. Er lebt im Kanton St. Gallen. Im Landheim lernte er Mechapraktiker mit Abschluss 2011.
Deve: «Das Landheim hat mich diszipliniert gemacht.»
2009 publizierte das «Migros-Magazin» das folgende Portrait über den jungen Straftäter Blerim, der damals seine Ausbildung im Landheim absolvierte. Nach seinem erfolgreichen Abschluss fand er eine Anstellung und konnte im Berufsleben Fuss fassen. Heute lebt Blerim mit seiner Frau und seinen drei Kindern im Kanton Zürich.
* Name geändert.
Eine lange Narbe von Schlüsselbein zu Schlüsselbein ziert Blerim Krasniqis Brust. «Es wollte mir einer die Kehle aufschneiden», erklärt der 18-Jährige, «er hat aber zu tief angesetzt.» Krasniqi war damals nur ausnahmsweise das Opfer. Meist war er Täter. Einer der zehn schlimmsten Jugendgewalttäter der letzten Jahre im Kanton Zürich, wie sein pädagogischer Betreuer im Landheim Brüttisellen ZH erklärt. Bewaffnete Raubdelikte, Körperverletzung und zahlreiche andere Gewalttaten gehen auf sein Konto.
«Ich schlug jeden, der mich blöd anguckte», sagt Krasniqi. Warum? Er zögert. «Weil ich nichts überlegt habe», sagt er dann. Warum hörte er damit auf? «Weil ich nicht mehr mit dem Gesetz in Konflikt kommen wollte.» Er möchte auch nicht mehr, dass seine Eltern seinetwegen traurig seien. Der ruhige und höfliche junge Mann stammt aus dem Kosovo und musste in seiner Kindheit Kriegsgräuel mitansehen, die ihn heute noch in Albträumen heimsuchen. Mit zwölf kam er in die Schweiz, seit April wohnt er im Landheim Brüttisellen, einem offenen sozialpädagogischen Jugendheim.
Hier macht der Jugendliche eine Anlehre als Recyclingassistent. Er zerlegt gebrauchte Computer und Elektronikgeräte in ihre Einzelteile und hilft bei der Leerung von Sammelcontainern. In der Freizeit spielt er im Nachbardorf Fussball, malt oder trainiert mit Hanteln in seinem Zimmer des Jugendheims. «Ich führe ein ganz normales Leben», sagt er, das gefalle ihm. Ausser dass er wenig ausgehen dürfe. Der Ausgang ist für das Jugendheim eine Gefahrenzone, die als Entwicklungsraum genutzt und kontinuierlich erweitert wird.
Mit 22 wird Krasniqi voraussichtlich aus den Jugendmassnahmen entlassen werden müssen - das Gesetz will es so, auch wenn ein Jugendlicher nicht bereit ist für die Freiheit. Bei Blerim Krasniqi sind die Chancen intakt. Im Jugendheim stellt man ihm gute Prognosen. Seine Eltern seien eine grosse Stütze, und bei ihnen will Krasniqi auch wieder leben, wenn er aus dem Jugendheim kommt. «Ich möchte meinem Vater beim Bau seines Hauses helfen», sagt er, «er ist mein grosses Vorbild.»
Migros-Magazin, 2. November 2009