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MODERN TIMES

Nie mehr Bettnässen im Schwanensaal

1943 verpasst der neue Leiter Adolf Zwahlen der Anstalt einen neuen Namen: «Landheim Brüttisellen». Der Name markiert den Aufbruch in eine moderne Zukunft - statt auf Schläge setzt Adolf Zwahlen auf Fachlichkeit, ein positives Menschenbild und eine familiäre Atmosphäre. Doch bis zum Ende aller Missstände der Vergangenheit ist es ein weiter Weg. Ein Besuch im Landheim im Jahr 1949.

1949

Gesamtansicht des Landheims

Ländliche Idylle:
Der neue Name «Landheim Brüttisellen» passt 

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Die erste Informationsbroschüre
aus den 1940er-Jahren.

«Das Heim kann 30 Jugendliche (Jünglinge im Alten von 15 bis 18 Jahren) aufnehmen und ihnen eine gründliche Nacherziehung bieten. Es werden Zöglinge aufgenommen, welche körperlich und geistig nicht behindert sind, die jedoch einer besonders festen und systematischen Führung bedürfen, um sie zu brauchbaren Menschen heranzubilden. Wir können diesem Ziele allerdings nur dann nahe kommen, wenn uns die Zöglinge genügend lange überlassen werden.

 

Der Aufenthalt sollte nicht vor drei Jahren abgebrochen werden, wenn die Aufwendungen einen angemessenen und nachhaltigen Erfolg zeitigen sollen. Diese Erfahrung deckt sich mit den Erkenntnissen einer gründlichen modernen Jugendfürsorge.»

Aus der Informationsbroschüre

Das Landheim-Hauptgebäude
im Jahr 1949

Aufbruch
mit Adolf Zwahlen

So leben und arbeiten die Zöglinge im Jahr 1949.

Mit freundlicher Unterstützung durch das Staatsarchiv des Kantons Zürich.

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Hauptstandbein Landwirtschaft: Heuen im Hitzesommer 1949

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Arbeit, Ordnung, Disziplin

Die Zeiten der Schuhfabrik sind Vergangenheit: im 1949 heisst es Anpacken auf dem Feld und im Gewächshaus. Die Landwirtschaft und die Gärtnerei sind in dieser Zeit die beiden Hauptstandbeine des Landheims. Die Landwirtschaft umfasst 12 ha Acker und 10 ha Wiesen und Hofstatt, die Gärtnerei bewirtschaftet 300 a Kulturland - es sind stattliche Betriebe, die dem Haushalt den Grossteil der Nahrung für die Jünglinge liefern.

 

Die Zöglinge können hier eine Lehre oder Anlehre absolvieren zum Bauern, Gemüsegärtner oder Hilfsarbeiter. Die grosse Neuerung ist aber, dass die Jugendlichen seit 1946 auch extern, in Gewerbebetrieben in der Umgebung, Berufslehren absolvieren können. Von dieser Möglichkeit machen 1949 acht Burschen Gebrauch. Sie lernen Mechaniker, Hufschmied oder Kaufmann.

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Zierpflanzen und Gemüse aus Eigenproduktion: die Gärtnerei

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Literatur, Gesang und Sport

Der Freizeitgestaltung widmet das Leiterpaar Adolf und Martha Zwahlen-Nobs ein besonderes Augenmerk. «In Spiel, Sport und Handfertigkeit, durch Gesang, Vorträge und Lektüre soll der Ausgleich zu der oft harten körperlichen Beanspruchung des Werktages geschaffen werden. Es gilt, die feineren Regungen und die verborgenen Begabungen aufzudecken und zu fördern.» So steht das in der Informationsbroschüre aus den 1940er-Jahren.

 

Dadurch wollen die Landheim-Pädagogen die  Zöglinge widerstandsfähig machen gegen die vielen Gefahren, die ihnen später gerade in der Freizeit drohen.

Auch sonst halten im Landheim neue Konzepte und Haltungen Einzug. Das Leiter-Paar bildet sich laufend professionell weiter, zum Beispiel am Heilpädagogischen Seminar in Zürich, und pflegt regen Austausch mit führenden Heimpädagogen aus dem Ausland, vor allem aus dem fortschrittlichen Dänemark. So prägt eine völlig neue Fachlichkeit und eine bewusst familiäre Stimmung den Heimalltag. Die Beziehung zu den Jugendlichen steht jetzt im Mittelpunkt, Körperstrafen und Arrest haben ausgedient.

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Der Bungert-Neubau (unteres Gebäude) ist 1952 bezugsbereit.

Das Aus für den Schlafsaal

Unbefriedigend bleibt lange Zeit die Unterbringung der Jugendlichen. Im «Schwanensaal» stehen 25 Betten in Reih und Glied, in denen die Zöglinge ohne jede Privatsphäre nächtigen müssen. Bettnässen ist damals in Kinder- und Jugendheimen weit verbreitet und gehört ins allgemeine Bild der Verwahrlosung. Als besonders stossend wird empfunden, dass Bettnässer hinter dem Vorhang der Theaterbühne separiert werden.

Der Neubau der «Bungert»-Häuser, die 1952 endlich bezogen werden können, bedeutet das endgültige Aus für den Schlafsaal. Für die damalige Zeit ist insbesondere die Einrichtung von Einzelzimmern geradezu sensationell. Das Landheim hat in diesem Bereich Vorbildfunktion für andere Institutionen, die bald ähnliche Konzepte umsetzen.

Adolf und Martha Zwahlen-Nobs leiten das Landheim insgesamt über 30 Jahre bis 1975 und gehören zu den prägendsten Figuren in der Heimgeschichte.

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Der Schlafsaal im Haupthaus hat ausgedient.

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